Zur Halbzeit
des Weltgipfels fuer Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, informiert
der Deutsche Naturschutzring ueber den Stand der aktuellen Verhandlungen:
EU gegen USA
Seit Beginn der Konferenz tobt der Kampf zwischen reichen und armen
Staaten dieser Welt ueber die Umsetzung konkreter Massnahmen, die zur
Reduzierung der Armut, zum Schutz der natuerlichen Ressourcen und zu
mehr sozialer Gerechtigkeit weltweit fuehren sollen. Seit dem Abend
des 29. August ist auch die Kluft zwischen den beiden "Supermaechten"
USA und EU voellig aufgebrochen, denn die Europaeer unter Praesidentschaft
der Daenen wollten erbost die Verhandlungen verlassen. Zu gross schienen
die Konflikte mit den USA in den Bereichen Finanzierung und Handel.
Waehrend
einer Sitzung in den fruehen Morgenstunden, im Rahmen derer eigentlich
geklaert werden sollte, wie die Minister/innen und Regierungschefs naechste
Woche verhandeln und was die Politische Erklaerung von Johannesburg
enthalten soll, zog die EU ihre Verhandler aus den Handels- und Finanzierungsgruppen
ab, um einen Plan mit 14 Punkten zu praesentieren, den die Minister/innen
nun naechste Woche verhandeln muessen. Auf dem Plan steht im Grund alles,
was bisher verhandelt wurde, naemlich: die Rio Prinzipien, Gute Regierungsfuehrung,
Menschenrechte, Abwasserentsorgung, der Solidaritaetsfonds, Energie,
das 10-Jahres-Programm fuer nachhaltige Produktions- und Konsummuster,
Handel und Finanzierung, natuerliche Ressourcen, Klimawandel, Globale
Oeffentliche Gueter, Soziale Dimension, Partnerschaftsabkommen sowie
Globalisierung.
Zwar sind
mittlerweile wieder alle an den Verhandlungstisch zurueckgekehrt, die
Aktion der Europaeer zeigt jedoch, wie zaeh die Verhandlungen laufen
und wie wenig einzelne Staaten oder Staatengruppen bereit zu Zugestaendnissen
an die andere Seite sind.
Fuer Bereiche wie Wasser, Energie, Chemiepolitik, Schutz der Biodiversitaet
und Gesundheit muessen konkrete Ziele und Zeitvorgaben erreicht werden
- so die eine Seite, mit der Festlegung konkreter Zahlen koennen nichts
erreicht werden, konkrete, bilaterale Aktionen und Vereinbarungen seien
wichtiger als Worte, kontern vor allem die Amerikaner. Zwischen allem
stehen die G77 - die Entwicklungs- und Schwellenlaender -, die langsam
das Gefuehl bekommen, nur noch ein Spielball zwischen den Industrielaendern
zu sein.
Veraergerte
NGOs
Auch die in Johannesburg anwesenden Vertreter/innen der Zivilgesellschaft
sind zunehmend veraergert ueber die stockenden Verhandlungen sowie ueber
mangelnde Zugangsmoeglichkeiten. Da das offizielle Konferenzgebaeude
nur eine begrenzte Anzahl von Personen fasst, gab die UN zu Beginn der
Konferenz Extrapaesse aus, die den sogenannten Major Groups den Zutritt
zum Gebaeude ermoeglichten. Die Anzahl der anwesenden NGOs ueberstieg
jedoch bei weitem die Zahl der ausgegebenen Paesse, sodass nicht alle
in das Gebaeude konnten. Dort finden aber nicht nur die offiziellen
Verhandlungen statt, sondern auch die Treffen der NGOs untereinander.
Erst nach energischen Protesten der NGOs wurde diese Regelung wieder
aufgehoben und den NGOs Zutritt gewaehrt. Da nun aber ab Montag auf
Minister- bzw. Regierungschefebene verhandelt wird, gibt die UN fuer
die naechsten Tage erneut eine begrenzte Anzahl von Paessen aus, die
nur einer Minderheit der Vertreter/innen der Zivilgesellschaft den Zugang
in das offizielle Gebaeude ermoeglicht.
Forderungen der NGOs
Internationale und nationale Nichtregierungsorganisationen fordern ihre
Regierungen auf, sich fuer die Verabschiedung folgender Ziele einzusetzen:
Statement
der Zivilgesellschaft zu MEAs und WTO
Vor allem bei den Verhandlungen um das Verhaeltnis zwischen Internationalen
Umwelt- und Handelsabkommen zeigen sich NGOs unzufrieden und besorgt.
Rund 200 NGOs aus 57 Laendern, unter ihnen Friends of the Earth International,
Greenpeace International, Northern Alliance for Sustainability (ANPED),
Third World Network, Sirra Club sowie WWF International haben ein gemeinsames
Statement vorgelegt, mit dem sie die Regierungsvertreter/innen auffordern,
den internationalen Handelsregelungen nicht den Vorrang vor den Multilateralen
Umweltabkommen (MEAs) zu geben.
(Quelle: www.rio-plus-10.org)
Die Regierungen
haetten in Johannesburg die Moeglichkeit, das Verhaeltnis zwischen den
MEAs und der WTO zu klaeren, so die internationale NGO-Koalition. Die
Bedeutung der Umweltabkommen muesse bekraeftigt und ihre Umsetzung vorangetrieben
werden, ohne das MEAs von den Handelsregeln der WTO behindert oder ausser
Kraft gesetzt wuerden. Waehrend der vierten Ministerkonferenz der WTO
in Doha hatten sich die Regierungschefs darauf geeinigt, Verhandlungen
ueber das Verhaeltnis von MEAs und Handelsregeln zu beginnen, ungefaehr
20 MEAs beinhalten handelsrelevante Paragraphen.
Die schnellen
Entwicklungen innerhalb der WTO sowie die strengen Umsetzungs- und Sanktionsmechanismen
haben in den letzten Jahren dazu gefuehrt, dass die Umsetzung der MEAs
immer weiter in den Hintergrund gedraengt wurde, wobei eine Reihe von
WTO-Mitgliedern argumentieren, die in den MEAs enthaltenen Handelsparagraphen
seien nicht mit den Welthandelsregeln kompatibel und muessten deshalb
ausser Kraft gesetzt werden. Waehrend der naechsten WTO-Ministerkonferenz
2003 in Mexiko sollen erste Ergebnisse vorliegen.
Die NGOs
fordern die in Johannesburg verhandelnden Regierungen auf, sich fuer
die Bevorzugung und Staerkung der Umweltabkommen vor den Handelsregeln
einzusetzten. Konkrete Prinzipien, Bedingungen und Ziele muessen vereinbart
werden, um umwelt-, entwicklungs- und sozialpolitischen Vereinbarungen
den Vorrang vor den Regeln der WTO zu geben.
Bisher Diskutiertes:
Chemikalienpolitik
Im Rahmen der Verhandlungen um den sicheren und nachhaltigen Umgang
mit Chemikalien scheint eine Einigung erreicht. So akzeptieren mittlerweile
auch die USA das Jahr 2020 die Umsetzung konkreter Massnahmen fuer einen
sicheren Umgang mit Chemikalien. Allerdings ist bisher noch voellig
unklar, was genau unter "sicherem Umgang" zu verstehen ist.
Eine "Minimalisierung der nachteiligen Folgen" soll erreicht
werden, so die offizielle Sprachregelung - mehr als die von den USA
zuerst geforderte Reduzierung.
Handel,
Finanzierung und Globalisierung
Im Bereich Handel, Finanzen und Globalisierung ist auch nach fuenf Verhandlungstagen
keine Einigung in Sicht. Es geht hier unter anderem um moegliche Zugestandnisse
bei der Reduzierung von umweltschadlichen und handelsverzerrenden Subventionen,
der Begriff "Globalisierung" ist noch nicht einheitlich definiert
und bewertet. Vor allem Entwicklungslaendern weisen auf die Gefahren
der Globalisierung hin, waehrend die EU und die USA vor allem die Chancen
und Entwicklungsmoglichkeiten hervorheben, die die Globalisierung bietet.
Weiterhin strittig ist das Prinzip der "gemeinsamen, aber unterschiedliche
Verantwortung". Die Formulierungen im Bereich oeffentliche Entwicklungshilfe
(ODA) gehen nicht ueber die Zusagen des Monterrey-Konsens hinaus, im
Maerz hatten die Industrielaender auf der Financing for Development
Konferenz in Mexiko eine Erhoehung ihrer ODA angekuendigt, wie und wofuer
die Gelder ausgegeben werden sollen, ist noch nicht geklaert.
Fair Trade ist voellig aus dem Regierungs-Dokument herausgefallen und
ob die Forderung nach Verantwortung der Unternehmen (corporate accountability)
die naechste Woche ueberstehen wird, ist unklar. Im Moment liegt ein
Papier des Botschafters John Ashe vor, welches drei verschiedene Versionen
enthaelt, die von einem kurzen Hinweis auf freiwillige Aktionen und
die Anbindung an oeffentlich-private Partnerschaften, bis zu konkreteren
Vorschlagen, die eine Verbindung mit existierenden Menschenrechts-,
Umwelt- und Arbeitsrechtsstandards vorsehen.
Subventionen
Beim Thema Subventionen schalten sowohl die Europaeer, als auch die
US-Amerikaner bisher auf sturr. Zwar fodern sie immer wieder von den
Entwicklungslaendern die Aufhebung aller Handelsbarrieren, selbst sind
sie aber nicht bereit, ihre Agrar-, und Energiesubventionen zu senken
oder ganz abzuschaffen, um damit den Entwicklungslaendern ihre Maerkte
zu oeffnen. Zusaetzlich enthaelt der Johannesburger Implementierungsplan
im Moment die gefaehrliche Formulierung, alle "tariff und non-tariff
trade barriers" abzuschaffen, worunter auch eine Reihe von Umwelt-
und Sozialstandards fallen koennen.
(s.a. taeglicher Newsletter der Heinrich Boell Stiftung in deutscher
Sprache.)
Taufe oder Beerdigung?
Nach dem nun die meisten Minister/innen angereist sind und am Montag
naechster Woche das offizielle High-Level Segment beginnen wird, bleibt
nur zu hoffen, dass auf hoehere Ebene geklaert werden kann, was Mitgliedern
der Regierungsdelegationen weder in Bali auf der letzten offiziellen
UN-Vorbereitungskonferenz, noch waehrend der ersten Woche des Gipfels
gelungen ist. Verbindliche Regeln und Zielvorgaben muessen her, die
dann auch im Rahmen der festgelegten Zeiten umgesetzt werden. Zentrale
Konflikte zwischen Nord und Sued, zwischen Amerikanern und der EU muessen
aufgeloest werden, damit entlich deutliche Zeichen zur Armutsbekaempfung
und fuer den globalen Umweltschutz gesetzt werden. Der Weltgipfel muss
die wirtschaftliche Globalisierung einer kritischen Analyse unterziehen
und konkrete Umsetzungsvereinbarungen fuer die nachhaltige Zukunft des
Planeten und der Menschen verabschieden. Fuer Vertreter/innen der Zivilgesellschaft
ist klar, dass der Gipfel nur dann zu einer Wiederbelebung des Prinzips
Nachhaltiger Entwicklung fuehren kann, wenn konkrete Konzept zur Umsetzung
sozial und oekologisch vertraeglicher Politik verabschiedet werden.
Im Moment sieht es leider so aus, als wuerden die Regierungen die Nachhaltige
Entwicklung und damit die Zukunft der Menschen auf diesem Planeten zu
Grabe tragen.
Nika Greger
DNR
Berlin Buero
Phone: 0160 90 544 817
Quellen und
weitere Informationen:
Forum Umwelt & Entwicklung
www.rio-10.de
Heinrich-Boell-Stiftung
www.worldsummit2002.de
(Die HBF informiert taeglich ueber den Stand der Verhandlungen in deutscher
Sprache.)
Eco-Equity (Internationale NGO-Koalition, Infobrief gibt es taeglich
in englischer Sprache.)
Friends of the Earth International
www.rio-plus-10.org
International Institute for Sustainable Development
www.iisd.ca
(taegliche genaue Bericht ueber den Stand der offiziellen Verahndlungen)
Stakeholder Forum
www.earthsummit2002.org