Deutscher Naturschutzring (DNR)
Informationen zum Weltgipfel fuer Nachhaltige Entwicklung

Reich gegen Reich:
EU und USA streiten ueber Strategien zur Rettung des Planeten

 

von Nika Greger
30. August 2002

 
   

Zur Halbzeit des Weltgipfels fuer Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg, informiert der Deutsche Naturschutzring ueber den Stand der aktuellen Verhandlungen:


EU gegen USA
Seit Beginn der Konferenz tobt der Kampf zwischen reichen und armen Staaten dieser Welt ueber die Umsetzung konkreter Massnahmen, die zur Reduzierung der Armut, zum Schutz der natuerlichen Ressourcen und zu mehr sozialer Gerechtigkeit weltweit fuehren sollen. Seit dem Abend des 29. August ist auch die Kluft zwischen den beiden "Supermaechten" USA und EU voellig aufgebrochen, denn die Europaeer unter Praesidentschaft der Daenen wollten erbost die Verhandlungen verlassen. Zu gross schienen die Konflikte mit den USA in den Bereichen Finanzierung und Handel.

Waehrend einer Sitzung in den fruehen Morgenstunden, im Rahmen derer eigentlich geklaert werden sollte, wie die Minister/innen und Regierungschefs naechste Woche verhandeln und was die Politische Erklaerung von Johannesburg enthalten soll, zog die EU ihre Verhandler aus den Handels- und Finanzierungsgruppen ab, um einen Plan mit 14 Punkten zu praesentieren, den die Minister/innen nun naechste Woche verhandeln muessen. Auf dem Plan steht im Grund alles, was bisher verhandelt wurde, naemlich: die Rio Prinzipien, Gute Regierungsfuehrung, Menschenrechte, Abwasserentsorgung, der Solidaritaetsfonds, Energie, das 10-Jahres-Programm fuer nachhaltige Produktions- und Konsummuster, Handel und Finanzierung, natuerliche Ressourcen, Klimawandel, Globale Oeffentliche Gueter, Soziale Dimension, Partnerschaftsabkommen sowie Globalisierung.

Zwar sind mittlerweile wieder alle an den Verhandlungstisch zurueckgekehrt, die Aktion der Europaeer zeigt jedoch, wie zaeh die Verhandlungen laufen und wie wenig einzelne Staaten oder Staatengruppen bereit zu Zugestaendnissen an die andere Seite sind.
Fuer Bereiche wie Wasser, Energie, Chemiepolitik, Schutz der Biodiversitaet und Gesundheit muessen konkrete Ziele und Zeitvorgaben erreicht werden - so die eine Seite, mit der Festlegung konkreter Zahlen koennen nichts erreicht werden, konkrete, bilaterale Aktionen und Vereinbarungen seien wichtiger als Worte, kontern vor allem die Amerikaner. Zwischen allem stehen die G77 - die Entwicklungs- und Schwellenlaender -, die langsam das Gefuehl bekommen, nur noch ein Spielball zwischen den Industrielaendern zu sein.

Veraergerte NGOs
Auch die in Johannesburg anwesenden Vertreter/innen der Zivilgesellschaft sind zunehmend veraergert ueber die stockenden Verhandlungen sowie ueber mangelnde Zugangsmoeglichkeiten. Da das offizielle Konferenzgebaeude nur eine begrenzte Anzahl von Personen fasst, gab die UN zu Beginn der Konferenz Extrapaesse aus, die den sogenannten Major Groups den Zutritt zum Gebaeude ermoeglichten. Die Anzahl der anwesenden NGOs ueberstieg jedoch bei weitem die Zahl der ausgegebenen Paesse, sodass nicht alle in das Gebaeude konnten. Dort finden aber nicht nur die offiziellen Verhandlungen statt, sondern auch die Treffen der NGOs untereinander. Erst nach energischen Protesten der NGOs wurde diese Regelung wieder aufgehoben und den NGOs Zutritt gewaehrt. Da nun aber ab Montag auf Minister- bzw. Regierungschefebene verhandelt wird, gibt die UN fuer die naechsten Tage erneut eine begrenzte Anzahl von Paessen aus, die nur einer Minderheit der Vertreter/innen der Zivilgesellschaft den Zugang in das offizielle Gebaeude ermoeglicht.


Forderungen der NGOs
Internationale und nationale Nichtregierungsorganisationen fordern ihre Regierungen auf, sich fuer die Verabschiedung folgender Ziele einzusetzen:

  1. Implementierung des Vorsorgeprinzips vor allem im Rahmen der Verbraucherschutz- und Chemikalienpolitik.
  2. Festschreibung von verbindlichen sozialen und umweltpolitischen Regeln fuer global agierende Unternehmen.
  3. Klare Regeln fuer die sogenannten Typ-II Partnerschaftsinitiativen zwischen Unternehmen, Regierungen und anderen Akteuren.
  4. Deutliche Erhoehung des Anteils der erneuerbaren Energien weltweit.
  5. Abbau bzw. Abschaffung der europaeischen und US-amerikanischen Subventionen in den Bereichen Landwirtschaft und Energie.

Statement der Zivilgesellschaft zu MEAs und WTO
Vor allem bei den Verhandlungen um das Verhaeltnis zwischen Internationalen Umwelt- und Handelsabkommen zeigen sich NGOs unzufrieden und besorgt. Rund 200 NGOs aus 57 Laendern, unter ihnen Friends of the Earth International, Greenpeace International, Northern Alliance for Sustainability (ANPED), Third World Network, Sirra Club sowie WWF International haben ein gemeinsames Statement vorgelegt, mit dem sie die Regierungsvertreter/innen auffordern, den internationalen Handelsregelungen nicht den Vorrang vor den Multilateralen Umweltabkommen (MEAs) zu geben.
(Quelle: www.rio-plus-10.org)

Die Regierungen haetten in Johannesburg die Moeglichkeit, das Verhaeltnis zwischen den MEAs und der WTO zu klaeren, so die internationale NGO-Koalition. Die Bedeutung der Umweltabkommen muesse bekraeftigt und ihre Umsetzung vorangetrieben werden, ohne das MEAs von den Handelsregeln der WTO behindert oder ausser Kraft gesetzt wuerden. Waehrend der vierten Ministerkonferenz der WTO in Doha hatten sich die Regierungschefs darauf geeinigt, Verhandlungen ueber das Verhaeltnis von MEAs und Handelsregeln zu beginnen, ungefaehr 20 MEAs beinhalten handelsrelevante Paragraphen.

Die schnellen Entwicklungen innerhalb der WTO sowie die strengen Umsetzungs- und Sanktionsmechanismen haben in den letzten Jahren dazu gefuehrt, dass die Umsetzung der MEAs immer weiter in den Hintergrund gedraengt wurde, wobei eine Reihe von WTO-Mitgliedern argumentieren, die in den MEAs enthaltenen Handelsparagraphen seien nicht mit den Welthandelsregeln kompatibel und muessten deshalb ausser Kraft gesetzt werden. Waehrend der naechsten WTO-Ministerkonferenz 2003 in Mexiko sollen erste Ergebnisse vorliegen.

Die NGOs fordern die in Johannesburg verhandelnden Regierungen auf, sich fuer die Bevorzugung und Staerkung der Umweltabkommen vor den Handelsregeln einzusetzten. Konkrete Prinzipien, Bedingungen und Ziele muessen vereinbart werden, um umwelt-, entwicklungs- und sozialpolitischen Vereinbarungen den Vorrang vor den Regeln der WTO zu geben.


Bisher Diskutiertes:


Chemikalienpolitik
Im Rahmen der Verhandlungen um den sicheren und nachhaltigen Umgang mit Chemikalien scheint eine Einigung erreicht. So akzeptieren mittlerweile auch die USA das Jahr 2020 die Umsetzung konkreter Massnahmen fuer einen sicheren Umgang mit Chemikalien. Allerdings ist bisher noch voellig unklar, was genau unter "sicherem Umgang" zu verstehen ist. Eine "Minimalisierung der nachteiligen Folgen" soll erreicht werden, so die offizielle Sprachregelung - mehr als die von den USA zuerst geforderte Reduzierung.

Handel, Finanzierung und Globalisierung
Im Bereich Handel, Finanzen und Globalisierung ist auch nach fuenf Verhandlungstagen keine Einigung in Sicht. Es geht hier unter anderem um moegliche Zugestandnisse bei der Reduzierung von umweltschadlichen und handelsverzerrenden Subventionen, der Begriff "Globalisierung" ist noch nicht einheitlich definiert und bewertet. Vor allem Entwicklungslaendern weisen auf die Gefahren der Globalisierung hin, waehrend die EU und die USA vor allem die Chancen und Entwicklungsmoglichkeiten hervorheben, die die Globalisierung bietet. Weiterhin strittig ist das Prinzip der "gemeinsamen, aber unterschiedliche Verantwortung". Die Formulierungen im Bereich oeffentliche Entwicklungshilfe (ODA) gehen nicht ueber die Zusagen des Monterrey-Konsens hinaus, im Maerz hatten die Industrielaender auf der Financing for Development Konferenz in Mexiko eine Erhoehung ihrer ODA angekuendigt, wie und wofuer die Gelder ausgegeben werden sollen, ist noch nicht geklaert.
Fair Trade ist voellig aus dem Regierungs-Dokument herausgefallen und ob die Forderung nach Verantwortung der Unternehmen (corporate accountability) die naechste Woche ueberstehen wird, ist unklar. Im Moment liegt ein Papier des Botschafters John Ashe vor, welches drei verschiedene Versionen enthaelt, die von einem kurzen Hinweis auf freiwillige Aktionen und die Anbindung an oeffentlich-private Partnerschaften, bis zu konkreteren Vorschlagen, die eine Verbindung mit existierenden Menschenrechts-, Umwelt- und Arbeitsrechtsstandards vorsehen.


Subventionen
Beim Thema Subventionen schalten sowohl die Europaeer, als auch die US-Amerikaner bisher auf sturr. Zwar fodern sie immer wieder von den Entwicklungslaendern die Aufhebung aller Handelsbarrieren, selbst sind sie aber nicht bereit, ihre Agrar-, und Energiesubventionen zu senken oder ganz abzuschaffen, um damit den Entwicklungslaendern ihre Maerkte zu oeffnen. Zusaetzlich enthaelt der Johannesburger Implementierungsplan im Moment die gefaehrliche Formulierung, alle "tariff und non-tariff trade barriers" abzuschaffen, worunter auch eine Reihe von Umwelt- und Sozialstandards fallen koennen.
(s.a. taeglicher Newsletter der Heinrich Boell Stiftung in deutscher Sprache.)


Taufe oder Beerdigung?

Nach dem nun die meisten Minister/innen angereist sind und am Montag naechster Woche das offizielle High-Level Segment beginnen wird, bleibt nur zu hoffen, dass auf hoehere Ebene geklaert werden kann, was Mitgliedern der Regierungsdelegationen weder in Bali auf der letzten offiziellen UN-Vorbereitungskonferenz, noch waehrend der ersten Woche des Gipfels gelungen ist. Verbindliche Regeln und Zielvorgaben muessen her, die dann auch im Rahmen der festgelegten Zeiten umgesetzt werden. Zentrale Konflikte zwischen Nord und Sued, zwischen Amerikanern und der EU muessen aufgeloest werden, damit entlich deutliche Zeichen zur Armutsbekaempfung und fuer den globalen Umweltschutz gesetzt werden. Der Weltgipfel muss die wirtschaftliche Globalisierung einer kritischen Analyse unterziehen und konkrete Umsetzungsvereinbarungen fuer die nachhaltige Zukunft des Planeten und der Menschen verabschieden. Fuer Vertreter/innen der Zivilgesellschaft ist klar, dass der Gipfel nur dann zu einer Wiederbelebung des Prinzips Nachhaltiger Entwicklung fuehren kann, wenn konkrete Konzept zur Umsetzung sozial und oekologisch vertraeglicher Politik verabschiedet werden. Im Moment sieht es leider so aus, als wuerden die Regierungen die Nachhaltige Entwicklung und damit die Zukunft der Menschen auf diesem Planeten zu Grabe tragen.

Nika Greger
DNR
Berlin Buero
Phone: 0160 90 544 817

Quellen und weitere Informationen:
Forum Umwelt & Entwicklung
www.rio-10.de
Heinrich-Boell-Stiftung
www.worldsummit2002.de
(Die HBF informiert taeglich ueber den Stand der Verhandlungen in deutscher Sprache.)
Eco-Equity (Internationale NGO-Koalition, Infobrief gibt es taeglich in englischer Sprache.)
Friends of the Earth International
www.rio-plus-10.org
International Institute for Sustainable Development
www.iisd.ca
(taegliche genaue Bericht ueber den Stand der offiziellen Verahndlungen)
Stakeholder Forum
www.earthsummit2002.org