Forum Umwelt & Entwicklung
Rundbrief I/2002

Richtige Themen, falsche Antworten

  Daniel Mittler  
   

Die Agenda für den Johannesburg-Gipfel steht

Etwa 2,000 Menschen tummelten sich vom 28.1. bis 8.2. im Keller des UN-Hauptgebäudes in New York um den Agenda für den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung festzuzurren. Zunächst durften alle sogenannten "Stakeholders", die im Agenda 21 aufgelisteten gesellschaftlichen Gruppen, sich äußern. Dies ist eine alte Tradition der in Rio entstandenen ´Commission for Sustainable Development´ (CSD); bei diesem "Multistakeholder Dialogue" hörten aber im Gegensatz zu frühereren CSD-Erfahrungen einige mehr Regierungsvertreter zu. Vielleicht half dabei, das zumindest der erste Diaolgabschnitt in der General Assembly Hall, also dem großen Saal des UN-Gebäudes, stattfand.
Die Kulisse war beeindruckend. Und es gelang - auch das ist eher selten - in Ansätzen ein echter Dialog (oft werden einfach nur die Statements der stakeholder abgelesen). So hatten die NGOs gemeinschaftlich eine Konvention für die Verantwortung internationaler Konzerne ("Convention on corporate accountability") gefordert und dazu ein zweiseitiges Papier vorgelegt. Der Delegation Ungarns gefiel diese Idee und sie fragte ausführlich nach. Dies gab den NGOs die Gelegenheit die Notwendigkeit dieser Konvention noch genauer zu begründen und motivierte andere Stakeholder, wie Frauen, Jugend, Gewerkschaften, indigene Völker und Farmer, sich dieser NGO-Forderung anzuschließen. Plötzlich war ein neues Thema auf der Tagesordnung, das z.B. in den regionalen Konsultationsprozessen im Herbst des letzten Jahres noch eher ein Schattendasein geführt hat. "Corporate Accountability" war das Thema der ersten Woche - sicherlich auch, da zur gleichen Zeit der Enron-Skandal die amerikanischen Nachrichten dominierte und am Ende der ersten Woche das "World Economic Forum" ebenfalls in New York stattfand. Die Lobbyaktivitäten innerhalb des UN-Gebäudes wurden deshalb durch die Ereignisse außerhalb noch bestärkt .
Am Ende der ersten Woche legte der Chair des Prozesses, Professor Salim aus Indonesien, eine Liste von Themen vor, die die Resultate des bisherigen Vorbereitungsprozesses zusammenbringen sollte. Die Liste spiegelte sehr gut die erste Woche der Verhandlungen wieder - die Resultate der regionalen Vorbereitungskonferenzen waren darin aber kaum wiederzufinden. Dies war insofern ironisch, als im letzten Jahr verhindert worden war, dass die Themen für Johannesburg festgelegt wurden, eben weil ein "bottom up" Prozess mit regionalen Konsultationen unbedingt zunächst stattfinden sollte. Am Ende der ersten Woche fragte man sich, was dieser "bottom up" Prozess genau bewirkt hatte.
Über die Liste von Professor Salim wurde sofort verhandelt. Das Dokument wurde Punkt für Punkt durchgegangen, obwohl zunächst eine "allgemeine Einschätzungsrunde" geplant war. Dieser Prozess war fast tödlich für das neue Thema "corporate accountability". Die NGO Forderung war nämlich gleich auf die erste Seite der Chairman´s "List of Issues" gerutscht - und zwar genau in der Form in der es sich die NGOs gewünscht hatten . Diese prominente, frühe Nennung führte natürlich dazu, das einige gewichtige Gegner dieser Idee - die USA Japan, aber auch Südkore, z.B. - sofort ihren Widerstand zu Protokoll gaben. Bei der ersten Diskussionrunde hatten viele noch nicht einmal den gesamten Text gelesen; aber die Seite 1 kannten alle und dazu äußerten sich dann vor allem Länder, sie sich nicht erst regional abstimmen müssen (wie z.B. die USA). Nur durch intensive Lobbyarbeit und vor allem auch die Tatsache, dass viele Länder innerhalb der G 77 sich positiv zu dem Thema äußerten, konnte in der zweiten Woche verhindert werden, dass das bestimmende Thema der ersten Woche wieder komplett von der Tagesordnung des Gipfels gestrichen wurde. Allerdings wurde die Bedeutung der "corporate accountability" im endgültigen Text deutlich geschwächt und es wurden hauptsächlich freiwillige unverbindliche Initiativen gelobt und in Aussicht gestellt.
Diese inhaltliche Abschwächung war typisch für die endgültigen Ergebnisse des Sitzungsmarathons, die man nur als enttäuschend bezeichnen kann. Die Regierungen waren sich zwar einig darüber, dass sie die wichtigsten Themen unserer Zeit, wie die Herausforderung der wirtschaftlichen Globalisierung und die fortbestehenden extrem unnachhaltigen Konsums- und Produktionsmuster in den Industrieländern, in Johannesburg behandeln müssen. Auch die Schlüsselthemen Energie und Wasser sollen einen prominenten Platz einnehmen. Aber bei all diesen Themen fehlt der Wille die nötigen strukturellen Veränderungen voranzubringen. So beschränkten sich die Regierungen, trotz einiger Proteste der G77 - allen voran Indiens - darauf, bei der Globalisierung die Weiterführung und Umsetzung der Ergebnisse der WTO-Konferenz von Doha zu fordern . Davon das man der wirtschaftlichen Globalisierung in Johannesburg soziale und ökologische Grenzen setzen will, war aber nicht die Rede. Im Bereich Wasser fehlte gleichzeitig jedes Bekenntnis gegen die Privatisierung dieser Ressource, wie es die NGOs fordern; und im Bereich Energie wird im abschließenden "Chair´s report" die Weiterentwicklung effizienter fossiler Energieträger als ein wichtiger Teil der Energiewende gesehen und ein Anteil an erneuerbaren Energieträgern von gerade mal 5% des globalen Energiebedarfs bis 2010 in Aussicht gestellt. Wenn die jetzt skizzierten möglichen Ergebnisse bereits das Maximale sind, was die Regierungen in Johannesburg an Antworten auf die drängensten Themen unserer Zeit anzubieten bereit sind, dann ist schon jetzt absehbar, dass der Johannesburg Gipfel für die Nachhaltigkeit keinen Durchbruch bringen wird. Der Druck durch die NGOs wird deshalb in den nächsten Monaten wachsen müssen.
Enttäuschend war auch, dass die EU als Block keinerlei Führungsrolle übernahm. Die spanische Präsidentschaft führte die EU extrem chaotisch. Die EU-Abstimmungen dauerten ewig (so dass die Spanier mindestens einmal nicht an ihrem Platz waren, als sie im Plenum aufgefordert wurden zu sprechen) und die Spanier hielten sich dem Vernehmen nach dann auch nicht immer an die vereinbarten Formulierungen. Es gab ein einziges EU-NGO Treffen (in der zweiten Woche), das ebenfalls schlecht vorbereitet war. Zumindest zum Ende hin konnte man dieses Chaos nicht mehr mit der Tatsache, dass die Spanier erst seit Anfang des Jahres die Präsidentschaft führen, entschuldigen. Politisch war die EU auch häufig nicht progressiv. So sprach sich die EU z.B. gegen eine "Convention on corporate acccountability" aus, was unter den NGOs zu extremer Verärgerung führte. Eine Führungsrolle der EU ist notwendig, wenn der Johannesburg Gipfel gute Ergebnisse verabschieden will. Hier muss sich in den nächsten Monaten noch sehr viel ändern!
Eine Kampfabstimmung gab es auch während der zwei Wochen in New York. Die EU erzwang eine Abstimmung über die Zulassung zum Gipfel für eine NGO, die für mehr Unabhängigkeit Tibets streitet. China bekämpfte die Akkreditierung dieser NGO - und zwar mit Erfolg. Eine sehr, sehr große Mehrheit sprach sich dafür aus, die betroffene NGO auszuschließen. Kein guter Tag für die Demokratie bei der UN.
Bei der PrepComm konnte man auch einiges weiteres über die logistischen Vorbereitungen in Südafrika erfahren. Leider gibt es in der internen Abstimmung der südafrikanischen NGOs noch einige Schwierigkeiten, so dass viele Details weiter unklar sind. Offensichtlich wurde aber in einer Präsentation der südafrikanischen Regierung, dass die bei der ersten PrepComm kritisierte Ghettoisierung der offiziellen Regierungsveranstaltung und des NGO-Gipfels weitgehend erhalten bleibt. Nur 1000 Nicht-Regierungsvertreter (d.h. inklusive Industrie!) werden jeden Tag Zugang zu dem offiziellen Gipfelgeschehen erhalten. Dies wurde zwar erneut insbesondere von NGO-Seite kritisiert, scheint aber nicht mehr zu ändern. Gleichzeitig scheint es, dass die südafrikanischen Regierung sehr genau kontrollieren will, wer aus Anlass des Gipfels nach Johannesburg reist. So wird jeder, auch jemand der "nur" am NGO Gipfel teilnehmen möchte, eine sogenannte "South African Accreditation" benötigen - muss sich also offiziell bei der Regierung anmelden.
Interessant wird in den nächsten Monaten auch noch die Diskussion über die Form der Ergebnisse von Johannesburg. Es wurden in New York zwei Arten von Ergebnissen für den Gipfel angeregt. Einmal soll es natürlich ein zwischen den UN-Nationen ausgehandeltes Schlusskommunique geben, das völkerrechtlich verbindlich ist. Gleichzeitig will die UN aber auch "partnerschaftliche Abkommen" zwischen Einzelstaaten, aber auch zwischen einzelnen "Stakeholdern" als offizielles Ergebnis des Gipfels akzeptieren. Jeder Stakeholder soll sich in Johannesburg zu etwas verpflichten. Bisher fehlen aber jegliche Kriterien für derartige "partnerschaftliche Abkommen" (darf auch die Atomindustrie gemeinsam z.B. mit einem Pro-Atom Staat Projekte anmelden?). Die NGOs machten sich außerdem über die weiteren politischen Konsequenzen dieser "partnerschaftlichen Abkommen" Sorge. Ein mögliches Resultat dieser Regelung ist es, dass die Presse mit vielen positiven Einzelprojekten "abgespeist wird" und damit der Druck auf die Regierungen zu einem überzeugenden Verhandlungsergebnis zu kommen sinkt. In New York war jedenfalls bereits erkennbar, dass Länder wie die USA durchaus darauf Hoffen, dass der Lärm dieser sogenannten "Type 2 outcomes" die mageren Ergebnisse des offiziellen Johannebsurg-Prozesses verdecken könnte. Bis zur nächsten PrepComm müssen die NGO ihre Haltung zu diesen "partnerschaftlichen Abkommen" klären.
Die Agenda für Johannesburg steht und die richtigen Themen, wie Globalisierung, Produktions- und Konsummuster oder Wasser und Energie, werden in Johannesburg besprochen werden. Bisher sind aber die Antworten die die Regierungen auf diese wichtigen Herausforderungen zu geben bereit sind unzureichend. In vielen Punkten bahnt sich für Johannesburg nichts weiter als eine Fortschreibung der neoliberalen WTO-Politik auf dem Feld der nachhaltigen Entwicklung an. Die NGOs müssen in den nächsten Monaten den Druck - auch und gerade bei den PrepComms - erhöhen, wenn Johannesburg ein Gipfel zur ökologischen Gestaltung der globalen Gerechtigkeit werden soll, anstatt eines Eingeständnisses der Regierungen, dass ihnen nachhaltige Entwicklung nicht allzu wichtig ist und insbesondere Handelsinteressen im Zweifelsfall vorgehen.

Der Autor ist Fachreferent für internationale Umweltpolitik beim BUND und koordiniert die Rio+10 Kampagne dessen internationalen Netzwerkes Friends of the Earth International (FoEI). Er ist Mitglied im Leitungskreis des Forum.

Alle Infos zum offiziellen Prozess gibt es unter
www.johannesburgsummit.org
Infos zur Arbeit von Friends of the Earth International zu Rio+10:
www.rio-plus.-10.org

Weitere Termine:

PrepComm 3, 25. 3. - 5. 4. 2002, New York
PrepComm 4, 27. 5. - 7. 6. 2002, Jakarta
Weltgipfel, 26. 8. - 4. 9. 2002, Johannesburg