Bei den UNECE-Vorbereitungen
auf den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung blockieren die USA
weiter
Seit Attacken
auf New York und Washington haben die USA, das ist immerhin positiv,
eine neue Ära der Kooperation ausgerufen. Kongress und Senat haben
bereits beschlossen, dass sie die millionenschweren Schulden, die die
USA bei den Vereinten Nationen haben, begleichen wollen. Doch noch ist
die neue Stimmung der globalen Partnerschaft nicht in der Umweltpolitik
angekommen. Die USA stellt sich weiter ins Abseits, auch bei den Vorbereitungen
für den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung, die im September
2002 in Johannesburg, Südafrika stattfindet.
In regionalen Konferenzen werden im Moment die Themen für diese
Riesenveranstaltung festgeklopft. So auch am 24. und 25. September in
Genf, wo die UNECE (United Nations Economic Commission for Europe) Region,
die ganz Kontinentaleuropa, die USA und Kanada vereint, zusammenkam.
Aber statt darüber zu diskutieren, welche Themen in Johannesburg
zu behandeln wären, stellten die USA lang akzeptierte Prinzipien
der Umwelt- und Entwicklungspolitik in Frage.
Entwicklungshilfe
In Rio hatten sich die meisten Industrieländer (allerdings auch
damals nicht die USA) z.B. dazu bekannt, dass sie mindestens 0,7% ihres
Bruttosozialproduktes für die Entwicklungshilfe zur Verfügung
stellen wollten. Das Versprechen ist gebrochen worden, auch in Deutschland,
wo der Wert bei etwa 0,3% liegt. In Genf wollte die EU dieses Ziel aber
politisch bestätigen und Besserung noch vor dem Gipfel in Johannesburg
in Aussicht stellen. Das weigerten sich die USA mitzutragen. Das Schlusskommunique
der Minister verkam zur leeren Phrase, die die Entwicklungsländer
nur weiter verärgern wird. Und so ging es in einem fort.
Umweltpolitik
Die anderen Länder wollten z.B. auch das "Vorsorgeprinzip"
(auf Englisch: precautionary principle) als eine wichtige Grundlage
der Umweltpolitik bestätigt wissen. Die USA - auch mit Blick auf
ihre fortgesetzte Verweigerungshaltung bei der internationalen Klimapolitik
- blockierten auch hier. Die USA widersetzen sich auch quantitativen
Zielen für den Ausbau regenerativer Energien. "Mindestens
10% des Energiebedarfs sollten bis 2010" durch erneuerbare Energien
gedeckt werden, hieß es noch in einem Entwurf. Zum Schluss war
nur ein vages Bekenntnis, dass es ja schön wäre, wenn erneuerbare
Energie ausgebaut würden, übrig. Die USA weigerte sich darüber
hinaus die Worte "ecological footprint" in dem Ministerstatement
überhaupt auftauchen zu lassen. Dieses Konzept sei in den USA völlig
unbekannt und niemand wisse, was es bedeute. Auch wenn dies der WWF
durch das Verteilen hübscher Broschüren widerlegte und die
US-Delegation von NGOs darauf hingewiesen wurde, dass einer der Erfinder
des "ecological footprints", Mathis Wackernagel, seit Jahren
in den USA arbeitet - die USA blieben stur.
Die einzige neue Idee der Verhandlungen war ein sogenannter "Global
Deal", ein Ausgleich zwischen dem Süden und Norden. Der Global
Deal wurde auf Anregung Dänemarks von der EU, der Schweiz und Norwegen
vertreten und forderte u.a. einen Schuldenerlass für die Dritte
Welt und die Eindämmung der negativen ökologischen Folgen
des Wirtschaftswachstum. Selbstverständlich weigerte sich die USA
den Global Deal als einen möglichen Tagesordnungspunkt für
Johannesburg zu akzeptieren.
Kulturelle Kluft zwischen USA und Europa
Alle Delegationen aus den 54 anwesenden Ländern erklärten
sich nach den Terrorattacken mit den USA solidarisch. Der Frust aufgrund
der Blockadehaltung der USA stand vielen Verhandlungspartnern der EU,
der Schweiz und Norwegens allerdings ins Gesicht geschrieben. Ein EU-Vertreter
meinte entnervt: "Es klafft eine riesige kulturelle Lücke
zwischen uns". Dies wurde bei einem Gespräch des amerikanischen
Delegationsleiters. Jonathan Margolis, mit den anwesenden über
80 Nichtregierungsorganisationen, bestätigt. John Hontelez, Generalsekräter
des Europäischen Umweltbüros (EEB), wies dezent darauf hin,
dass die USA auch 9 Jahre nach Rio weiter weit über ihre ökologischen
Verhältnisse lebten. Er fragte, ob die USA bereit wäre, in
diesem Punkte Selbstkritik zu üben. "Ich fand die Art und
Weise wie Sie diese Frage stellten sehr interessant", meinte Margonis.
"Als Amerikaner kann ich mit dem Begriff Selbstkritik nichts anfangen.
Wir schauen eher immer auf die positive Seite der Medaille." "Das
ist genau das Problem" stöhnte es ihm aus der Gemeinschaft
versammelter Umweltschützer entgegen. Jonathan Margolis bestätigte
außerdem, dass die USA weiterhin kein Interesse an internationalen
Abkommen haben. "Wir sprechen mit unseren Partnern über die
Dinge, die uns wichtig sind. Das halten wir für effektiver."
Selbstkritik war in Genf allerdings auch bei anderen Delegationen Mangelware.
Nur der britische Umweltminister Michael Meacher, gab offen zu, dass
die Entwicklung der letzten 9 Jahre weiter in die falsche Richtung gegangen
sei. Eine der entscheidende Grundlagen für diese Entwicklung, nämlich
die wirtschaftlich dominierte Globalisierung, wollte allerdings niemand
kritisieren. Selbst der von der EU favorisierte Global Deal forderte
mehr internationalen Handel und das Abschlusskommunique besagt, dass
die Umweltpolitik, das gegenwärtige internationale Handelssystem
"unterstützen" solle. Forderungen, wie die von Friends
of the Earth International, dass Umweltabkommen immer Handelabkommen
überstimmen sollten, wurden nicht aufgegriffen. Auch Forderungen
nach einem globalen Regelkatalog für Konzerne verpufften.
Kritik an der Globalisierung fehlte
Aus umweltpolitischer Sicht bieten die Vorbereitungen für den Weltgipfel
zur nachhaltigen Entwicklung also im Moment noch ein trauriges Bild.
Die wirtschaftliche Globalisierung, eine Hauptursachen für die
fortschreitenden Verschlechterung der Umweltsituation, wird von den
Regierungen ausgeblendet. Die USA blockiert bereits die kleinsten, symbolischsten
Schritte in die richtige Richtung, wie sie die EU in Genf forderte.
Wenn der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im September 2002
ein Erfolg werden soll, dann muss der Rest der Welt noch mehr politischen
Mut zeigen, und die USA das Zeitalter der Kooperation auch in der Umweltpolitik
einläuten. In den Korridoren ging zum Abschluss der Konferenz das
Gerücht um, die USA hätten für die Zukunft mehr Kooperation
signalisiert.
Der Autor
ist Fachreferent für internationale Umweltpolitik beim Bund für
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Rio+10 Koordinator dessen
internationalen Netzwerkes, Friends of the Earth International (www.foei.org)
und Mitglied im Leitungskreis des Forums Umwelt & Entwicklung
Seine Rede bei der Rio+10 Vorbereitungskonferenz in Genf ist unter http://www.iisd.ca/linkages/
wssd/WSEUR/monday.html abrufbar.
Die UNECE-Region
schlägt die folgenden Themen und Prioritäten für den
Gipfel in Johannesburg vor:
"sustainable
management and conservation of natural resources, environment and health,
making globalization work for sustainable development, improving governance
and democratic processes at all levels, education, science and technology.
Financing for sustainable development will be a crucial cross -cutting
issue."
Das Schlusskommunique des UNECE-Gipfels ist zu finden unter
http://www.johannesburgsummit.org/web_pages/european_regional_preparatory_
process.htm weitere Infos zum UNECE Prozess gibt es unter http://www.unece.
org/env/rio+10/
Vor der Konferenz trafen sich NGOs aus der ganzen UNECE-Region und stimmten
ein gemeinsames Papier ab. Dies ist unter
http://www.johannesburgsummit.org/web_pages/final_unece_ngo_statement.pdf
zu finden.