Forum Umwelt & Entwicklung
Rundbrief II/2001

Themenlos in New York...

  Daniel Mittler  
   

Die Vorbereitungen auf Johannesburg 2002 haben begonnen!

Vom 30. April bis 2. Mai tagte im UN-Hauptquartier in New York die erste vorbereitenden Sitzung für den Rio+10 Gipfel, der im September 2002 in Johannesburg, Südafrika stattfinden wird. Nach den ernüchternden Ergebnissen der 9. Sitzung der Commission for Sustainable Development, die z. B. von nächtelangen Diskussionen um die Sicherheit oder eben doch "potentielle Gefahr" der Atomindustrie charakterisiert war, war die Rio+10 Veranstaltung eher aufmunternd.


Der offizielle Name des Rio+10 Gipfels ist der "World Summit on Sustainable Development" und dieser Name, so wurde immer wieder betont ist der UN sehr viel lieber als "Rio+10". Die erste vorbereitende Sitzung für den Rio+10 Gipfel war nach der CSD-9 eine Erleichterung. Entscheidungen wurden ohne großen Dissenz und sogar noch vor dem offiziellen Ende der Veranstaltung getroffen. Alle Teilnehmer konnten mit den Beschlüssen nach Hause fahren. (1) Die Termine der nächsten vorbereitenden Sitzungen wurden bereits festgelegt (siehe Kasten) Und doch: Auch bei den Rio+10 Vorbereitungen gab es Streitpunkte und gleich zu Anfang eine Kampfabstimmung. Bei den Wahlen zum Büro des Gipfels fiel der deutsche Kandidat, Reinhard Krapp, einer der permanenten Repräsentanten Deutschlands in New York, (leider) durch. Als Stellvertreter des "Chairman", Prof. Emil Salim aus Indonesien, der auch schon in Rio mit von der Partie war, wurden Ägypten, Nigeria, Japan, die Tschechische Republik, Rumänien, Brasilien, Jamaica, Kanada und - aus Westeuropa - Schweden gewählt.

Festlegung der Themen

Streit gab es in New York vor allem darüber, wie man die Beteiligung der Sozialpartner am World Summit organisieren will, sowie wann und wie die Hauptthemen für den Gipfel festgelegt werden sollen. Die G77 und China drangen darauf, dass die Themen erst Anfang 2002 und auf Grundlage der nationalen und regionalen Vorbereitungstreffen für den Gipfel festgelegt werden. Sie wollten, so hieß es immer wieder, einen Prozess "von den Graswurzeln aufwärts". Da viele der nationalen und regionalen Vorbereitungsprozesse eher mäßig und unter einer geringen Beteiligung der Sozialpartner laufen, ist diese Position mit großer Skepsis zu betrachten. Trotzdem gelang es der EU nicht, zumindest eine erste Festlegung auf Themengebiete bereits bei diesem Treffen durchzusetzen. Bei den inhaltlichen Stellungnahmen der teilnehmenden Staaten gab es allerdings ironischerweise viel Übereinstimmung. So soll sich der Johannesburg Gipfel vor allem mit der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien beschäftigen. Seine Aufgabe wird nicht die Initiierung neuer Prozesse, sondern die Ermöglichung der politischen Durchsetzung des bereits Beschlossenen sein. Einmütig wurde somit von verschiedensten Staaten gefordert, die Beschlüsse von Rio nicht noch einmal nachzuverhandeln.

Stärkung der internationalen institutionellen Strukturen

Gleichzeitig war die Stärkung der internationalen institutionellen Strukturen für die nachhaltige Entwicklung ein immer wieder aufkommendes Thema. Klaus Töpfer, dessen Bericht zur Zukunft der UNEP bereits die CSD 9 sehr stark beschäftigt hatte, war erneut anwesend und konnte mit sichtbarer Freude eine breite Unterstützung für eine Stärkung der UNEP vermerken. Der Teufel liegt bei dieser Frage aber im Detail. Bei einem Expertenworkshop zur Frage der Zukunft der UNEP, gab es nach der grundlegenden Unterstützung für das Anliegen doch noch sehr viel Diskussionsbedarf - und auch Dissens - über die Frage des wie. Auch die deutschen NGOs werden sich über diese Frage vor Februar 2002, wenn Töpfer seine endgültigen Vorschläge zur Weiterentwicklung der UNEP vorlegt, noch einige Gedanken machen müssen. Übereinstimmung herrschte auch darüber, dass der Johannesburg Gipfel kein reiner Umweltgipfel sein wird und kann. Die Frage der Armutsbekämpfung und die mögliche Abhängigkeit des erfolgreichen Gelingens des Gipfels von einem positiven Abschluss der Financing for Development Diskussion im Frühjahr 2002 wurden vor allem von der G77 betont, aber von keiner Seite in Frage gestellt. Um so ironischer war es, dass die vorbereitenden Konferenz zu Financing for Development zur gleichen Zeit wie die Johannesburg Vorbereitungen in New York tagten. Diskussionen zwischen den Teilnehmern der zwei Veranstaltungen fanden allerdings gerade auf NGO-Seite nur am Rande und eher zufällig statt. Die Herausforderung Umwelt und Entwicklung zusammen zu denken wird sich durch den Vorbereitungsprozess für Johannesburg und dem zeitgleichen Financing for Development Prozess in besonderer Weise stellen.

Globalisierung

Dies ist um so dringlicher, da ein weiteres Thema, das von fast allen offiziellen Rednern angesprochen wurde, die für Umwelt und Entwicklung so entscheidende Frage der Globalisierung war. "Making globalisation sustainable" war der meistgenutzte Satz von Regierungsdelegationen wie NGOs. Leider blieb unklar, was genau damit gemeint sein soll (2). Insbesondere die Frage wie das gegenwärtige Welthandelssystem in nachhaltige Schranken gewiesen werden soll, wurde mehr durch blumige Formulierungen umgangen als ernsthaft diskutiert. Auch unter den NGOs überwogen die generellen Stellungnahmen gerade zu diesem Punkt. Das Papier von Friends of the Earth International: Towards Sustainable Economies (3), das bald beim BUND auf Deutsch erscheinen wir, war noch das konkreteste, was es zu diesem Thema an Diskussionsbeiträgen von NRO-Seite aus gab. Die Diskussion im Hinblick auf Johannesburg gibt zumindest die Chance, eine informierte und kritische Diskussion über die Globalisierung zu führen. Um diese zu Nutzen, müssen NGOs aber noch mehr fundierte Positionen einbringen. Schließlich wurden die Themen Wasser und Energie immer wieder als Schwerpunktthemen genannt. Eine gut besuchte Präsentation der von der Bundesregierung geplanten Wasserkonferenz im Dezember 2001 (4) gab hier einen konkreten inhaltlichen Impuls.

Beteiligungsverfahren für den Gipfel

Aber zurück zum Dissens. Diskussionen gab es über die Beteiligungsverfahren für den Gipfel. Thesen der G77 und China eine Definition der Gipfelthemen "von den Graswurzeln aus" zu wünschen (siehe oben), wurden bei dieser Diskussion besonders scheinheilig. Denn gerade diese Länder, allen voran Saudi Arabien, Ägypten und China, setzen sich für ein restriktives Akkreditierungssystem ein, ja forderten sogar ein Veto gegenüber der möglichen Zulassung einzelner NGOs. In diesem Punkt konnte sich die EU mehr oder weniger durchsetzen, so dass die für die CSD gültigen Akkreditierungsregeln auch für Johannesburg gelten werden. Die Beschlüsse von New York betonen aber immer wieder, dass in Johannesburg wenig Zeit sein wird und dass deshalb die Beiträge der Sozialpartner kurz gehalten werden müssen. Und über die Akkreditierung hinaus gibt es sicher weitere Probleme der Demokratisierung des Johannesburg-Prozesses. So stellte die EU zwar z.B. Gelder für die Beteiligung von Süd-NGOs an den Vorbereitungstreffen in Aussicht (finanziert aus nationalen Haushaltsmittlen). In New York fehlten aber auch viele europäische NGOs (aus Deutschland war ich der einzige NGO Vertreter!) und das sicher auch aus finanziellen Gründen. Auch auf Nachfrage stellte aber niemand Gelder für die Beteiligung von Nord-NGOs beim Vorbereitungsprozess in Aussicht. Hier fällt dem Forum Umwelt und Entwicklung deshalb sicher eine große Verantwortung zu.
Die bisherige Planung für den Gipfel selber gibt, was die Beteiligung der Sozialpartner angeht, auch zu denken. Der Gipfel soll in einem Stadion mit einer Großveranstaltung mit 50,000 Leuten beginnen (und auch enden). Das Tagesgeschäft wird dann in drei verschiedenen Konferenzzentren angesiedelt sein, die alle mindestens 25 km voneinander entfernt sind. Es besteht die Gefahr, dass die NGOs nur in einem der drei Zentren, weit ab vom offizielen Geschehen, untergebracht werden. Nach einmütigen Protesten aller Sozialpartner, NGOs wie Wirtschaft, versprachen die südafrikanischen Veranstalter allerdings die nochmalige Prüfung dieser geplanten Ghettoisierung.
Die Vorbereitungen für Rio+10 laufen nach dem Treffen von New York nun konkreter und mit mehr Nachdruck an als sie das noch vorher taten. Das erste Treffen hat zumindest genügend Grundlagen geschaffen, um sicher zu stellen, dass der Prozess nun weitergeht. Zum Ende kam sogar ein bisschen der Geist von Rio auf, als sich die Landesvertreter gegenseitig aufforderten aktiv zusammen zu arbeiten und vor allem sicher zu stellen, dass ihre jeweiligen Regierungschefs auch wirklich nach Johannesburg kommen. Sowohl bei der inhaltlichen wie bei der partizipativen Ausgestaltung des Prozesses bis Johannesburg gibt es aber noch viel zu tun. Wenn NGOs hier Einfluss nehmen wollen, dann müssen sie die nächsten Monate nutzen, um Beteiligungsrechte einzufordern und thematische Schwerpunkte zu setzen. Alle im Forum zusammen geschlossenen Verbände, müssen es dabei gemeinsam schaffen, Umwelt und Entwicklung zusammen zu denken. Packen wir's an?


Der Autor ist Fachreferent für internationale Umweltpolitik beim BUND, Rio+10 Koordinator von Friends of the Earth International und Mitglied im Leitungskreis des Forum Umwelt und Entwicklung.


(1) Die Beschlüsse sind unter www.johannesburgsummit.org einzusehen.
(2) Siehe auch einen Bericht des Autors auf Englisch:www.foei.org/campaigns/Rio_10/indexrio10.html.
(3) Siehe: www.foei.org/Publications/indexgeneralpublications.html.
(4) www.water-2001.de



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Regionale Vorbereitung für Europa:
24.- 26. September 2001, Genf
PrepComm 2: 28.1 - 8.2. 2002, New York
PrepComm 3: 25. März- 5. April 2002, New York
PrepComm 4 (mit Ministersegment): 27.5.-7.6., Bali, Indonesien
World Summit on Sustainable Development, 2. -11. September 2002, Johannesburg