Forum Umwelt & Entwicklung
Rundbrief II/200

Neue Weltkonferenzen -
Neue Chancen für die globale Umwelt- und Entwicklungsfinanzierung?

  Barbara Unmüßig  
   
Die Vorbereitungen auf zwei große UN-Weltkonferenzen im Jahr 2002 haben begonnen: Im April 2002 wird in Mexiko zum ersten mal in der Geschichte der Vereinten Nationen eine Internationale Konferenz über Finanzierung von Entwicklung (Financing for Development) stattfinden. Nur fünf Monate später, im September 2002 in Johannesburg, will die UNO Bilanz auf einem "Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung" über Fort- und Rückschritte im nunmehr zehnjährigen Rio-Folgeprozess ziehen. Ob diese enge zeitliche Verknüpfung ein Fluch oder Segen sein wird, müssen die zahlreichen Vorbereitungskonferenzen der kommenden Monate zeigen.

Einige Regierungsvertreter im Norden fürchten, dass die Entwicklungsländer den Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung mehr oder weniger boykottieren werden, wenn zuvor in Mexiko die reichen Industrieländer keine substanziellen Finanzmittel auf den Tisch legen. Die internationale Umwelt- und Entwicklungsdiplomatie aus dieser Sackgasse herauszuführen ist die zentrale Herausforderung der Regierungsvertreter in Nord und Süd, wenn nachhaltige ökologische und soziale Entwicklung eine Chance erhalten soll. Das Festhalten am "alten" Ritual - der Forderung nach Aufstockung der Entwicklungshilfe (ODA) - ist hier nicht wegweisend. Die scharfe Kritik an den Industrieländern ist allerdings mehr als berechtigt ist, weil sie mehrheitlich ihre Entwicklungshilfeetats gekürzt haben. Für die Vielzahl zu bewältigender sozialer und ökologischer Probleme werden die Entwicklungsländer auch in Zukunft externe Finanzmittel benötigen,

Entwicklungsländer enttäuscht

Finanzierungsfragen gehören zum harten Kern der Politik und entsprechend prägen sie seit den 60er Jahren die Nord-Süd-Debatte. Die Finanzierung politischer Aufgaben ist ein untrüglicher Indikator für die Bedeutung von Politikfeldern. Wie viel Geld wofür eingesetzt wird, sagt mehr über politische Reichweiten und Prioritäten aus als deren rhetorische Manifestationen.
Erinnern wir uns: Bei der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 wurde die Bereitstellung neuer und zusätzlicher Finanzmittel als eine Kernbedingung für den Erfolg der Beschlüsse von Rio angesehen. Die Entwicklung in den 90er Jahren ist vor diesem Hintergrund niederschmetternd. Die Mittel für internationale Entwicklungszusammenarbeit stagnierten auf niedrigem Niveau und erreichten 1999 gerade einmal 56,4 Mrd. $.
In dieser Summe enthalten sind auch die Finanzmittel der Global Environment Facility (GEF). Sie wurde 1991 gegründet und finanziert Projekte in den vier Kernbereichen Klimaschutz, Erhalt der biologischen Vielfalt, Schutz der Ozonschicht und der internationalen Gewässer. 1992 wurde die GEF als Finanzierungsmechanismus für die Klimarahmenkonvention und für die Konvention zum Erhalt der biologischen Vielfalt anerkannt. Diese vier Arbeitsfelder reflektieren einmal mehr, welche Prioritäten die nördlichen Geber im globalen Umweltschutz setzen. Die Wüstenkonvention, die von den Entwicklungsländern initiiert wurde, verfügt bis heute über keinen vergleichbaren Finanzmechanismus.
Grundsätzlich hat der Norden zugestimmt, zusätzliche Kosten für den globalen Umweltschutz zu übernehmen, wenn der globale den nationalen umweltpolitischen Nutzen übersteigt. Solche Kosten-Nutzen Berechnungen methodisch in den Griff zu bekommen, ist den politischen Entscheidungsträgern in Nord und Süd bislang nicht überzeugend gelungen.
Für die Entwicklungsländer besonders enttäuschend ist, dass die Mittel der GEF in den vergangenen zehn Jahren äußerst bescheiden geblieben sind. 2002 stehen die Verhandlungen zur Wiederauffüllung (replenishment) der GEF wieder auf der Tagesordnung. Ohne eine drastische Erhöhung des GEF-Finanzrahmens der nördlichen Geber, werden die Entwicklungsländer sich weiterhin gegen nationale Maßnahmen für den globalen Umweltschutz aussprechen.
Ähnlich wie bei der ersten Weltumweltkonferenz 1972 in Stockholm zeichnet sich ein Szenario ab, in dem die Entwicklungsländer argumentieren, dass die Industrieländer ihnen via Sustainable Development ihre Entwicklungsmöglichkeiten beschneiden wollen und ihnen gleichzeitig die notwendigen Finanzmittel vorenthalten. Auch bei der UNCED 1992 in Rio de Janeiro gab es deutliche Stimmen aus dem Süden, die Tagesordnung von 'Rio' sei im wesentlichen vom "Norden" bestimmt worden. "Südliche Regierungen haben in Rio wie bockige Jugendliche teilgenommen, unzufrieden und genervt über die Standpauken und Vorlesungen der industrialisierten Länder"; konstatiert Sunita Narain, vom Centre for Science and Environment in New Dehli (CSE).
Vor diesem Hintergrund und weil sich eine große Zahl der Entwicklungsländer zunehmend als Verlierer der Globalisierung fühlt, ist es zu erklären, dass sie eine eher distanziertere Haltung zu den Vorbereitungen der beiden 2002 geplanten UN-Konferenzen einnehmen.

Neue Impulse setzen

Die UN-Konferenz Financing for Development kann hier wichtige Impulse setzen, in dem sie die seit längerem anhaltende Diskussion um zusätzliche und innovative Finanzierungsinstrumente für die Zielsetzung einer global zukunftsfähigen Entwicklung vorantreibt und konkretisiert. Bewegen müssen sich dafür alle: der Norden muss neue Wege in der globalen Umverteilung beschreiten, in dem er zum Beispiel die Tür für internationale Steuern öffnet. Die Regierungen der Entwicklungsländer müssen endlich eingestehen, dass nachhaltige Entwicklung nur zu einem Teil aus externen Quellen zu finanzieren ist. Selbst eine hinreichende Finanzierung garantiert keine Problemlösung; politische Bereitschaft zum Umsteuern muss auch in den Entwicklungsländern verankert sein.

Neue globale Finanzierungsinstrumente

Die zunehmende Diskrepanz zwischen rückläufiger Entwicklungshilfe bei gleichzeitig wachsendem Finanzierungsbedarf für globale soziale und umweltpolitische Aufgaben hat in den 90er Jahren zur verstärkten Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten geführt. Dabei ist eine Reihe von Vorschlägen entstanden, deren Grundidee es ist, neue globale Herausforderungen wie den globalen Umweltschutz, die Armutsbekämpfung oder die Stabilisierung der Finanzmärkte durch neue globale Mittel zu finanzieren. Öffentlich diskutiert werden derzeit - wenn auch mit Zurückhaltung der Regierungen - internationale Steuern auf Devisentransaktionen, auf Flugbenzin, auf den Fischfang in internationalen Gewässern, auf Luxusgüter oder auf die Nutzung der globalen Allgemeingüter (Global Commons). Im Gespräch sind auch Gebühren und Abgaben beim Tiefseebergbau, beim internationalen Gefahrenguttransport oder bei der Nutzung des erdnahen Weltraums (Satellitengebühren) oder elektromagnetischer Frequenzen.
International erhobene Steuern und Gebühren haben den großen Vorteil, dass sie im Gegensatz zu direkter staatlicher Regulierung oder administrativer (Mengen-)Begrenzung über einen Marktmechanismus umweltbelastende Aktivitäten reduzieren helfen.
Hinzu kommt, dass angesichts der durch die Globalisierung aufgeworfenen neuen Fragen und Probleme, das Thema internationale Steuern ohnehin auf der Tagesordnung steht. Transnational agierende Unternehmen wählen immer häufiger das ihnen am günstigsten erscheinende nationale Steuersystem. Die Steuerbasis der Nationalstaaten und schrumpft und das, obwohl die weltweite ökonomische Tätigkeit der Unternehmen ökologische und soziale Kosten verursacht (z. B. Ölkatastrophen). Internationale Steuern wären schon allein deshalb die logische Konsequenz der Globalisierung, wenn die politischen Handlungsspielräume der Regierungen in Nord und Süd gewährleistet bleiben sollen.
Die Verwendung der Steuern wird mitentscheidend für ihre Akzeptanz sein. Eine Mischung aus nationaler und internationaler Verwendung dürfte auf die größte "Gegenliebe" stoßen. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), aber beispielsweise auch der indische Premierminister plädieren im Kontext der Diskussion um eine Devisenumsatzsteuer für eine entwicklungspolitische Verwendung der Steuern (z. B. über einen Fonds zur Armutsbekämpfung).

Global Public Goods

Als neuer Aufhänger könnte sich das Konzept der Globalen öffentlichen Güter (Global Public Goods - GPGs) erweisen. Die Auseinandersetzung darüber hat in letzter Zeit an politischer Dynamik gewonnen. Auslöser war das von den UNDP-MitarbeiterInnen Inge Kaul, Isabelle Grunberg und Marc A. Stern 1999 herausgegebene Buch "Global Public Goods. International Cooperation in the 21st Century". Globale öffentliche Güter sind nach ihrer Definition solche Güter, deren Nutzen über Landesgrenzen und Regionen, Bevölkerungsgruppen und Generationen hinaus reicht. Unter diese breite Definition fallen die klassischen öffentlichen Güter Frieden und Sicherheit ebenso wie eine intakte Umwelt, Gesundheit, das kulturelle Erbe aber auch finanzielle Stabilität, Wissen und Information und selbst Fairness und Gerechtigkeit.
Die Auseinandersetzung über GPGs und ihre Finanzierung hat im Zuge der Vorbereitungen auf die Financing for Development Konferenz der UNO (März 2002) und den Rio+10-Gipfel (September 2002) neuen politischen Stellenwert erlangt, den es nun für die Diskussion um neue Wege in der Umwelt- und Entwicklungsfinanzierung zu nutzen gilt. Denn sowohl die G-77 als auch die EU (sowie die Weltbank) haben dieses Thema zur Priorität erklärt, gleichzeitig aber erheblichen Diskussionsbedarf angemeldet.
Die Finanzierung globaler Güter wird dabei einer der zentralen Streitpunkte sein. So einleuchtend die Einführung einheitlicher internationaler Steuern sein mag, die (regierungs)-politischen Widerstände dagegen sind noch sehr hoch. Der Weg bis zur Einführung innovativer Finanzierungsinstrumente zur Förderung nachhaltiger Entwicklung ist zweifellos noch lang und schwierig, zumal die nationalen Parlamente ihre Budget- und Steuerhoheit mit Zähnen und Klauen verteidigen. Rasche Durchbrüche wird es hier nicht geben. Die beiden kommenden UN-Konferenzen in Mexiko und Johannesburg im Jahr 2002 könnten jedoch die Auseinandersetzung um innovative Finanzinstrumente beschleunigen und den gesellschaftlichen Konsens, die politische Mehrheitsfähigkeit und die internationale Akzeptanz dazu entscheidend fördern.
Die Aufteilung von Umweltproblemen in globale und lokale hat beständig Konflikte zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geschaffen. Während letztere ein großes Interesse haben, ihre brennendsten und kurzfristigen Probleme wie Wasserknappheit, Entwaldung oder Bodenerosion zu lösen, sind die Industrieländer auf internationaler Ebene vor allem am Klimaschutz und am Erhalt der biologischen Vielfalt interessiert, die als globale Umweltprobleme klassifiziert werden. Diese Trennung ist jedoch für die Lösung der Probleme nicht angemessen. Jedes globale Umweltproblem hat lokale Ursachen und globale Probleme wie die Folgen der Erderwärmung haben gerade in Entwicklungsländern dramatische Wirkungen für die armen und ärmsten Bevölkerungsschichten (Stürme, Überschwemmungen, Verschiebung der Regenzonen usw.).
"Unless all environmental problems are addressed within an integrated perspective that takes into account the local and the global - the local within global and the global within the local - there will be little confidence within the developing world that their concerns are being taking into account in the global environmental agenda." Sunita Narain, (CSE. Die UN-Konferenz Financing for Development kann hier die richtigen Signale für Johannesburg setzen. Ideen dafür gibt es genug.

Barbara Unmüßig
Die Autorin ist Vorsitzende von WEED und Sprecherin des Leitungskreises des Forum Umwelt & Entwicklung