Forum Umwelt & Entwicklung
Rundbrief III/2001

Access and Benefit-Sharing-Verhandlungen der CBD

     
   

Pferdefüße und Bärenfelle

Vom 22. bis 26. Oktober diesen Jahres findet in Bonn, wie es im UN-Jargon so schön heißt, die Ad hoc Open Ended Working Group on Access and Benefit-Sharing (ABS) statt. Es handelt sich hierbei um eine auf der letzten Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über Biologische Vielfalt (CBD) im Mai 2000 in Nairobi eingerichtete Arbeitsgruppe, die die Aufgabe hat, "guidelines or other approaches" im Bereich Access & Benefit-Sharing zu erarbeiten. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe sollen dann der nächsten Vertragsstaatenkonfernz, COP 6 im Jahre 2002, vorgelegt werden.

Nichtregierungsorganisationen, aber auch viele Regierungen (darunter die Bundesregierung) hätten statt unverbindlicher Guidelines lieber gleich ein völkerrechtlich verbindliches Protokoll unter der CBD gehabt. Jedoch blieben Richtlinien der Minimalkonsens, der unter den Vertragsstaaten durchsetzungsfähig war, wobei die Formulierung des Beschlusses verbindlichere Formen einer Übereinkunft grundsätzlich nicht ausschließt.

Worum geht es?

Bekanntermaßen verfolgt die CBD drei Ziele: Erhalt und Schutz der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Gestaltung ihrer Nutzung und drittens einen geregelten Zugang zu biologischer Vielfalt in Verbindung mit einer gerechten und angemessenen Verteilung des aus der Nutzung entstehenden Vorteils.

Obwohl es bei ABS nur um das letztgenannte Ziel geht, sind die drei Ziele der CBD eng miteinander verknüpft.

Kernstück des geregelten Zugangs innerhalb der CBD ist der sogenannte Prior Informed Consent. Dieses in der Fachsprache als PIC-Verfahren bezeichnete Vorgehen verlangt, dass der Nachfrager nach einer biologischen Ressource sich der Zustimmung des Eigentümers dieser Ressource (des Herkunftsstaates) versichert, und zwar unter Angabe des Zwecks, für den die Ressource benötigt wird. Im Zusammenhang des Zugangs wird auch das Benefit-Sharing ausgehandelt, das heißt, in welcher Form und in welcher Höhe ein Staat an dem Gewinn beteiligt wird, der daraus resultiert, dass er eine biologische Ressource zur Verfügung stellt.

In der Debatte werden - nicht zuletzt aufgrund der Ausführungen der CBD selbst - immer wieder zwei Formen des Benefit-Sharing genannt: Technologietransfer und Geld. Darüber hinaus sind jedoch noch andere Formen vorstellbar wie etwa Informationsaustausch oder Capacity-Building.

Neben den Staaten können im Rahmen der CBD, geregelt durch den berühmten Artikel 8j, auch lokale und indigene Gemeinschaften als Eigentümer biologischer Vielfalt auftreten. Grundsätzlich ergibt sich hierdurch ein Definitionsproblem: zwar weiß man was eine lokale, indigene Gemeinschaft ist, jedoch ist gerade in vielen Entwicklungsländern, etwa in Afrika, schwer feststellbar, welche Teile der Bevölkerung nicht unter diese Kategorie fallen, das heißt, die Grenze zwischen lokaler, indigener Gemeinschaft und der übrigen Bevölkerung ist umstritten. Darüber hinaus steht Art. 8j unter dem Vorbehalt nationaler Politik, das heißt, die Vertragsstaaten sind aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu durchzuführen, um das traditionelle Wissen lokaler und indigener Gemeinschaften zu schützen. Dass die Staaten hierbei unterschiedlich Tatkraft an den Tag legen werden, bedarf nicht weiterer Erläuterung. Dennoch ist positiv festzuhalten, dass die CBD das traditionelle Wissen lokaler und indigener Gemeinschaft, etwa bezüglich des Umgangs mit Heilpflanzen oder auch der züchterischen Leistung bei der Weiterentwicklung von Kulturpflanzen, entsprechend würdigt.

Wo sind die Pferdefüße?

Einer der in der CBD angelegten Pferdefüße wurde bereits genannt: Den Schutz traditionellen Wissens unter den Vorbehalt nationaler Politik zu stellen. Dies korrespondiert zwar mit dem - inzwischen auch erodierenden - völkerrechtlichen Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, entspricht aber nicht in jedem Falle den Erfahrungen und Interessen lokaler, indigener Gemeinschaften.

Ein zweiter Pferdefuß betrifft den simplen Tatbestand, dass die Verbreitungsgebiete genetischer Ressourcen sich nicht unbedingt an staatlichen Grenzen orientieren. Das heißt, ein Nachfrager steht unter Umständen mehreren Anbietern gegenüber. Hinzu kommt, dass diese Anbieter bislang keinen roten Heller für ihre biologische Vielfalt erhielten, so dass ihnen möglicherweise der Spatz in der Hand attraktiver erscheint als die Taube auf dem Dach. Es könnte mithin auf Seiten der Anbieter zu einem Wettbewerb kommen, der die Preise immer weiter in den Keller treibt. Denn die Anbieter könnten aus der gegenseitigen Konkurrenz den Schluss ziehen, dass wenig immer noch besser als gar nichts ist. Und das freut die nachfragenden multinationalen Unternehmen.

Ein dritter Pferdefuß, der diese Tendenz noch verstärkt, ist die unterschiedliche Verhandlungsmacht von Anbieter und Nachfrager. Am Verhandlungstisch über Access und Benefit Sharing sitzen auf der einen Seite aller Voraussicht nach ein Industrieland und ein multinationaler Konzern, auf der anderen Seite ein Entwicklungsland, möglicherweise sekundiert von einer lokalen oder indigenen Gemeinschaft. Das Machtgefälle, gerade in Verbindung mit einer möglichen Vielzahl von Anbietern, kann zweifellos zu unerwünschten Ergebnissen führen.

Ein vierter Pferdefuß ist die Frage der Patente. Die CBD strebt einen leichten Zugang zu biologischen Ressourcen an und unterstützt im Prinzip Patente auf diese Ressourcen. Andererseits soll gerade die CBD ein Instrument sein, dass Biopiraterie, das heißt den Klau biologischer Vielfalt ohne ABS-Regeln mit der anschließenden Eigentumssicherung durch Patentierung, verhindert. Hier steht die CBD in der Praxis in Konflikt mit dem TRIPs-Vertrag der WTO, der die Patentierung von Verfahren und Produkten, die auf traditionellem Wissen und/oder biologischer Vielfalt aus fremdem Eigentum aufbauen, ohne weiteres erlaubt. Dieser Konflikt wird zwar von den Industriestaaten, etwa der EU, mit Hinweis darauf, dass durchaus beide Abkommen gleichzeitig erfüllt werden können, bestritten. Obwohl dies theoretisch zutrifft, belegt die Praxis das Gegenteil. Die Beispiele für Biopiraterie sind Legion, die Industrie steht nicht gerade Schlange, wenn es ums Zahlen geht. Und wenn ein Staat vor der Wahl steht, die Biodiversitätskonvention zu verletzen oder das TRIPs-Abkommen, so wird er zwangsläufig jenem Abkommen den Vorzug einzuräumen, bei dessen Zuwiderhandlung die größeren Folgen zu befürchten sind. Und dies ist ohne Frage das TRIPs-Abkommen.


Mit anderen Worten: TRIPs und CBD müssen zumindest gleichwertig sein. Entweder werden, wie es etwa Brasilien vorschlägt, die grundlegenden CBD-Anforderungen Bestandteil des TRIPs-Abkommens, oder aber die zu erwartenden Sanktionen bei der Verletzung der CBD sind potentiell ebenso folgenreich wie im Falle von TRIPs.

Letztlich sind diese Pferdefüße aus entwicklungspolitischer Sicht natürlich als Anforderungen an ABS-Richtlinien zu interpretieren. Das heißt, die zu erarbeitenden Guidelines müssen die Rolle lokaler und indigener Gemeinschaften stärken, verhindern, dass ein Konkurrenzverhalten der Anbieter untereinander dazu führt, dass die ausgehandelten Bedingungen für Access und Benefit-Sharing zur Bedeutungslosigkeit verkommen, das Machtungleichgewicht der verhandelnden Parteien zumindest tendenziell ausgleichen und schließlich das Verhältnis der ABS-Regeln zum Patentrecht und zum WTO-TRIPs-Vertrag so gestalten, dass letztere ABS nicht faktisch aushebeln können.

Wie die Bärenfelle verteilen?

Es ist immer gefährlich, das Fell des Bären zu verteilen, bevor dieser erlegt ist. Andererseits bietet es sich geradezu an, im Vorfeld der ABS-Verhandlungen Ende Oktober in Bonn ein paar Gedanken darauf zu verwenden, welchen Kriterien ein Benefit-Sharing mit Blick auf seine Verwendung zugrunde liegen sollen. Die Vorstellung, dass aus dem ABS der CBD resultierende Mittel unkonditioniert in die Staatshaushalte von Entwicklungsländern fließen und womöglich dazu beitragen, Waffenkäufe zu finanzieren, ist wenig ermutigend.

Womöglich hilft hier jedoch ein Blick auf die Konvention selbst und ihren Entstehungszusammenhang. Die Konvention selbst sieht ihre drei Ziele ? Erhaltung, Schutz und Vorteilsausgleich ? in einem engen Zusammenhang. Dies legt nahe, dass die aus Verfahren der Konvention resultierenden Vorteile in direkter oder indirekter Weise den anderen beiden Konventionszielen dienlich sein sollte. Letztlich begründen Erhaltung und nachhaltige Nutzung von biologischer Vielfalt jedoch eine Reihe kontextuell bedingter, komplexer Aktivitäten, die von der Ausweisung und Überwachung von Naturschutzgebieten bis zu Maßnahmen der direkten Armutsbekämpfung wie etwa Bildung oder einkommensschaffende Maßnahmen reichen. Dies verweist auf den Entstehungszusammenhang der Konvention, den Rio-Prozess.

Aus entwicklungspolitischer Sicht müssten die Ergebnisse des Benefit-Sharing somit im weitesten Sinne den Zielen einer ökologisch und sozial nachhaltigen Entwicklung dienen, im engeren Sinne den Zielen der Biodiversitätskonvention verpflichtet sein. Diese Grundprinzipien wären dann im übrigen nicht nur auf finanzielle Mittel anzuwenden, sondern auch auf andere Formen des Benefit-Sharings wie etwa den Technologietransfer.
Um dies zu erreichen, sollte der Staat nicht von der Zivilgesellschaft allein gelassen werden. Wenn es um die Verwendung zusätzlicher Mittel ohne ausreichende gesellschaftliche Kontrolle geht, haben Regierungen nahezu aller Weltgegenden und politischer Couleur sich bislang als äußerst erfinderisch erwiesen. Von daher wäre eine Beteiligung der Zivilgesellschaft bitter nötig.
Hierfür gibt es bereits Vorbilder.

Schuldenerleichterungen im Rahmen der HIPC-Initiative werden von sogenannten Poverty Reduction Strategy Papers (PRSPs) abhängig gemacht. Diese PRSPs führen nur dann zu Schuldenerleichterungen, wenn die Zivilgesellschaft in die Erarbeitung der Papiere wirksam einbezogen wurde. PRSPs stellen im Grunde nichts anderes als Armutsbekämpfungsstrategien dar. Die Einbindung der Zivilgesellschaft soll unter anderem bewirken, dass die durch den Schuldenerlass frei werdenden Mittel auch wirklich für Maßnahmen der Armutsbekämpfung eingesetzt werden. Zwar sind die Erfahrungen mit den Erarbeitungsprozessen von PRSPs bislang unterschiedlich. In einigen Ländern hat die Regierung ? mehr oder weniger erfolgreich ? versucht, die Zivilgesellschaft auszutricksen, in anderen Ländern hat die Zivilgesellschaft dies der Regierung auch nicht gerade schwer gemacht.

Obwohl dieses Instrument mithin auch seine Grenzen hat, die wesentlich mit der Stärke der Zivilgesellschaft in einem bestimmten Land zusammenhängen, sollte man hier den Mut nicht gleich verlieren. Derartige Verfahren müssen immer auch erst eingeübt werden. Von daher erscheint der Ansatz durchaus erfolgversprechend, dass - in Analogie zu den PRSP-Prozessen - Regierung und Zivilgesellschaft gemeinsam Strategien für Erhalt und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt erarbeiten, oder aber die Ergebnisse des Benefit-Sharing im Rahmen von bereits vorliegenden nationalen Nachhaltigkeitsstrategien verwendet werden.

Dies könnte nicht nur der CBD und ihren Ziele bei allen Akteuren zusätzliche Anerkennung und Aufmerksamkeit verschaffen, sondern auch dazu beitragen, den Schritt von Guidelines hin zu einem völkerrechtlich verbindlichen Protokoll zu erleichtern.

Michael Frein

Der Autor ist Mitarbeiter beim EED und VENRO-Vertreter im Leitungskreis des Forums Umwelt & Entwicklung