Presseschau: Frankfurter Rundschau

Klimagipfel mit Aussichten

 

Frankfurter Rundschau vom
20 August
2002

 
   

Wer sich auf den Weg zu einem Gipfel macht, der will hoch hinaus. Auf dem Erdgipfel in Johannesburg werden mehr als 120 Staats- und Regierungschefs erwartet. Wie hoch sie hinauswollen, ist fraglich. Als sie sich vor zehn Jahren in Rio de Janeiro trafen, versprachen sie gute Aussichten für Mensch und Umwelt. Gehalten haben sie sich nicht daran. Die soziale und ökologische Lage hat sich international weiter verschlechtert. In Johannesburg wäre Gelegenheit, dagegenzuhalten, doch die Vorbereitungen versprechen nicht viel Gutes. Gibt es noch Hoffnung für den Gipfel?

Die USA, unterstützt von Kanada, Australien und den Opec-Staaten, haben sich im Vorfeld gegen jede neue internationale Verpflichtung gesträubt. Ein globales Ziel für den Ausbau der erneuerbaren Energien lehnen Bush und seine Partner ebenso ab wie globale Regeln für multinationale Konzerne zur Sicherung sozialer und ökologischer Standards. Seit 18 Monaten wehren sich die USA dagegen, dass das in Rio beschlossene Vorsorgeprinzip in Johannesburg bestätigt wird. Das Prinzip sieht vor, bei Gefahren zu handeln, noch bevor sie endgültig wissenschaftlich geklärt sind. Paradebeispiel ist der Klimawandel. Diesen wollen die USA aber weiter nicht ernst nehmen - daran haben auch die Eisbergabbrüche und Unwetterserien der vergangenen Monate nichts geändert. Das Klimaprotokoll von Kyoto wollen die USA in Johannesburg noch nicht einmal erwähnt sehen.

Sollten Nichtregierungsorganisationen angesichts der verfahrenen Situation den Gipfel besser boykottieren? Die Ergebnisse globaler Gipfel werden dem Ausmaß der globalen Probleme nicht gerecht, das ist wahr. Aber wer deswegen die Vereinten Nationen für tot erklärt, der nährt nur die "Was schert mich der Rest der Welt"-Attitüde von Präsident Bush. Ohne die UN bliebe die Weltpolitik gänzlich undemokratischen Institutionen wie der Welthandelsorganisation überlassen. Die wenigen positiven Ansätze zur Begrenzung des Raubbaus gehen auf Rio zurück. Zum Beispiel wird das Klima-Rahmenprotokoll zumindest verhindern, dass der Kohlendioxid-Ausstoß in den nächsten Jahren weiter massiv ansteigt. Ohne Rio würde es auch das Klimaschutzziel der Bundesregierung - 25 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2005 im Vergleich zu 1990 - nicht geben. Kohl verkündete es auf dem Gipfel von 1992, und jede Regierung muss sich seitdem daran messen lassen. Wenn in Johannesburg etwas erreicht werden soll, dann müssen die USA isoliert werden. Die Europäische Union bemüht sich deshalb um eine Allianz mit den Entwicklungsländern. In diesem Verbund wäre es möglich, konkrete Ziele für sanitäre Anlagen festzulegen und Millionen Menschen in Entwicklungsländern den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu sichern. Auch ein globales Ziel zum Ausbau erneuerbarer Energien, für das Umweltminister Trittin intensiv streitet, kann in Johannesburg noch erreicht werden. Von einer umweltschonenden und dezentralen Energieversorgung würden insbesondere die zwei Milliarden Menschen profitieren, die heute noch ohne Elektrizität leben.

Das alles wäre erfreulich, aber noch lange nicht ausreichend. Wann, wenn nicht beim Weltumweltgipfel, wollen die Regierungen endlich der wirtschaftlichen Globalisierung klare soziale und ökologische Grenzen setzen? Globale Regeln für globale Konzerne, wie sie eine breite Allianz von Nichtregierungsorganisationen, Entwicklungsländern und Gewerkschaften fordern, lehnt die Bundesregierung zurzeit noch ab. Dabei hat sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erst kürzlich geweigert, Standards für Auslandsinvestitionen freiwillig anzuerkennen. Wenn selbst ein Weltumweltgipfel den BDI nicht dazu bewegen kann, einen kleinen Schritt in die richtige Richtung zu tun, dann muss die Politik der Wirtschaft auf die Sprünge helfen. Der Weg zum Gipfel ist nicht mehr weit, aber für gute Aussichten bedarf es noch großer Anstrengungen. Der BUND und andere Nichtregierungsorganisationen werden ihren Teil dazu beitragen - mit intensiver Lobbyarbeit sowie mit öffentlichkeitswirksamen Kampagnen und Aktionen. Zusammen mit unseren internationalen Partnern von "Friends of the Earth" werben wir zum Beispiel unter den Gipfelteilnehmern für die Position, dass Umweltabkommen immer Vorrang vor Handelsabkommen haben. Und in der Kunstinstallation "Hear our voice" werden wir am 1. September in Johannesburg einen acht Meter hohen Konzernriesen mit den Botschaften von Zehntausenden von Menschen aus aller Welt konfrontieren.

Die Staats- und Regierungschefs hingegen müssen beweisen, dass sie die wirtschaftliche Globalisierung nicht länger nur ohnmächtig verwalten wollen. Deutschland könnte hierbei eine wichtige Vorreiterrolle übernehmen, wenn Kanzler Schröder auf dem Gipfel in den Kernfragen klare nationale Ziele bekannt geben würde. Das hieße vor allem: Reduktion der Klimagasemissionen um 40 Prozent bis 2020, Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Strommarkt von heute sechs auf 25 Prozent bis 2015 und Steigerung der Ausgaben für Entwicklungsprojekte von heute 0,27 auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts bis 2007.

Angelika Zahrnt ist Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).